Einführung in die Ausstellung VERANSCHAULICHT WAS VERBINDET

von Dr. Peter Miscik (leicht gekürzte Fassung)
im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen in Wien

(…) Seitdem Ihre Werke hier hängen, hat sich bei uns etwas verändert. Ich spüre eine gewisse erhebende Atmosphäre in diesem Haus. Umso mehr freue ich mich über Ihre Anwesenheit unter uns. (…)

Die im Titel der Ausstellung angesprochene Verbindung ist zunächst eine Herausforderung. Es wird sichtbar: Formsprache, Inhalte, Stil und die Herkunft der drei Protagonisten ist unverwechselbar.

Die Sprache der Farben bei Heinz Ebner eher kraftvoll, leuchtend. Wir sehen eine Aneinanderreihung von Rechtecken, Quadraten, die teilweise an ein Mosaik und wiederum an bunte Glasfenster erinnern. Die Linien sind deutlich und scharf. Die abgebildete Wirklichkeit, die Figuren darin stehen nie isoliert, nicht nur für sich selbst da. Die Wirklichkeit setzt sich aus mehreren Facetten, Ereignissen, ja, Zeitepochen zusammen, der Eindruck der Inklusion drängt sich auf. Das Eine ist die Eingangstür für das Andere, das Eine ist die Inklusion des Anderen. Quadratische Flächen und runde Bögen als Metapher des Irdischen und Himmlischen gehen ineinander über. Verbunden sein ist hier ein Ineinander sein.

Auf den Bildern von Annemarie Baumgarten erstrahlen vorwiegend helle Farben. Die Gesichter der Menschen sind eher angedeutet, an ihnen kann man verletzt sein, Traurigkeit und auch Erhabenheit erkennen. Figuren treten fast aus den Bildern heraus, sprechen an, geben gleichzeitig Anteil an dem, was sie darstellen, an dem, was sie erlebt haben. Sie kommunizieren.
Die Arbeiten bestehen aus mehreren Schichten; nicht nur was die Farbe, betrifft, sondern auch in Bezug auf die verschiedenen Materialien: Papiere, Pappe, Gaze, Jute, aufeinandergelegt, mehrmals übermalt, was den Eindruck von Tiefe vermittelt und den Prozess aufzeigt. Hier und da ist die Oberfläche aufgerissen, gibt Einblick in das Innere. Und dieses ist dunkel.
Das Erlebte, das Dunkle, das Schmerzliche ist an der hellen Oberfläche nicht zu fassen. Um es sehen zu können, muss man sich Zeit nehmen, sich mit Aufmerksamkeit beugen, sich gleichsam niederlassen. Es ist, als ob das Schmerzliche etwa in der Trennung, in den Opfern der Katastrophen eher verborgen wäre, fast wie ein Geheimnis der Künstlerin. Sie lässt das Dunkle im Hintergrund aufscheinen als ob sie mit einer noblen Geste sagen möchte:  „Das bleibt bei mir, es ist meins!“ Somit ist das Licht die Inklusion des Dunklen.

Die Bilder von Fouad Roham sind der eigentliche Auslöser dieser Ausstellung. Er und das tragische Leiden seines Volkes sind der Grund, warum wir auf seine Bilder schauen. Denn sie sind so etwas wie ein Itinerarium des kollektiven Kreuzweges und des tragischen Exodus der Christen aus Syrien. Syrien ist eines der Länder mit der ältesten christlichen Kultur außerhalb von Palästina. Das Land, das in der Apostelgeschichte erwähnt wird, (die Bekehrung des Paulus), das Land mit einer reichen christlichen Kultur und Tradition, das Land mit einer christlichen Minderheit, die im seit fünf Jahren dauernden Krieg enteignet, ausgetrieben und getötet wird. Bei meiner ersten Begegnung mit ihm zeigte Fouad Roham auf eines seiner Bilder und sagte ein Wort: „Maalula“. Und dann fügte er noch ein anderes Wort mit zwei Buchstaben hinzu, um das vorherige zu erklären: „IS“. Maalula – das Dorf,  geschützt in den Bergen des Anti-Libanon, wo die vermutete Muttersprache Jesu - der westaramäische Dialekt lebendig blieb. In Maalula befindet sich angeblich die älteste Kirche der Welt. Der Ort wurde seit Jahrhunderten von allen syrischen christlichen Konfessionen besucht, unter den Pilgern waren auch viele sunnitische Muslime. Das Dorf wurde von der IS-Terrororganisation eingenommen, im Herbst 2014 wurde bekannt, dass die IS Ikonographie-Objekte aus Maalula in den internationalen Kunsthandel brachte, um Waffen zu finanzieren. Auf dem Bild sieht man die Reste der Häuser in Maalula und eine weinende Frau. Sie ist die Verkörperung aller, die mit Entsetzen und mit Entrüstung das Schicksal der christlichen Syrer verfolgen. Von Bild zu Bild gehend, ertönt in meinen Ohren ein in tiefer Stimme gesungener cantus firmus: „Bitte, vergesst uns nicht!“

Über diese solidarische Verbundenheit jedoch hinaus: was verbindet die Künstler dieser Ausstellung? Ist es das erfahrene und ans Licht getragene Leid? Das ist offensichtlich. Das Licht verhält sich zu diesem Leid wie das Umfassende zum Umfassten.
Auf den Bildern werden sehr selten ausdrücklich religiöse Motive dargestellt. Und doch, wie die Künstler selber sagen, ist ihr Werk ohne das Spirituelle, das Christliche nicht denkbar.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine ausdrückliche religiös-christliche Bemerkung:
Jesus sah die Welt wie sie war und zweifelte nicht.
Kann man auf die Welt schauend, noch annehmen, dass sie eine Welt Gottes ist? Dass sie von Gott begleitet und zur Vollendung geführt wird?
Die Bilder der drei Künstler zeigen die Welt wie sie ist: Zerstörung des jahrhundertealten Kulturerbes bei Fouad Roham, der Mensch im Todeskampf, sowie Kindersoldaten bei Heinz Ebner, Trennung und Loslösung bei Annemarie Baumgarten.
Es sind jedoch Bilder des Lichtes und nicht des Zweifelns. Das ist die grundlegende tiefe Verbindung, die bei allen drei Kunstschaffenden besteht.

Ich möchte meine Einführung mit den Worten eines Gebetes abschließen. Der Beter wendet sich an Gott: „Mehr als das, was ich sagen kann, entdeckst du in meiner Seele.“ Erlauben Sie mir, geschätzte Damen und Herren diese Worte paraphrasierend an Sie als eine Einladung zu richten: „Mehr als das, was ich sagen kann, entdecken Sie in den Bildern der ausstellenden Künstler. Denn dort finden Sie viel von ihrer Seele. Dort finden sie das Licht, das verbindet.“

Im Namen unserer Hausgemeinschaft wünsche ich Ihnen ein tiefes und gleichzeitig ein erhebendes lichtvolles und gleichzeitig ein menschen-verbindendes Erlebnis in dieser langen Nacht.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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